Wir beginnen am Jungfernstieg, um unsere Spurensuche aufzunehmen. Wir suchen alte Lokale und Treffpunkte, wo sich die Jugendlichen trafen. Wo sie ihre Musik hörten. Wo sie abhotteten. Ihre »Swingmeile«, wir finden sie im Keller des Alsterpavillons, in feinen Tanzcafés, in einfachen Bierkneipen.
Seit dem Beginn des 2. Weltkrieges galt ein Tanzverbot. Getanzt wurde trotzdem, wenngleich nun häufig in den Hinterzimmern etlicher Lokale. Bei unserer Spurensuche ist unser Augenmerk zudem auf die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe gerichtet, die zur Kriminalisierung und Verfolgung dieser Jugendlichen führten. Wir hören von Verhaftungswellen, von Razzien und Repressionen.
Swing? Das ist »eine flott gespielte rhythmische Tanzmusik, die wir gut finden«. So brachte es Anfang der 1940er Jahre ein Jugendlicher in einem Verhör lapidar auf den Punkt. Das sagt wohl mehr als manche Erklärungen in den gängigen Musiklexiken. Sie wollten eigentlich nur ihre Musik hören!
Am Stadthaus hören wir, wie das für viele endete. Hier hatte die Geheime Staatspolizei – die Gestapo – ihren Sitz. In ihren Verhörzellen mussten aufgegriffene Swingjugendliche etliche Demütigungen, auch Misshandlungen ertragen. Auch dem eingangs erwähnten Swingheini bekam seine lapidare Antwort im Verhör nicht gut.
Swingmusik, der damit verbundene Rhythmus kam schon Mitte der 1920er mit dem Jazz aus den USA. Deutsch-nationalen Kreisen war das schon zu diesem Zeitpunkt ein Dorn im Auge. Die Musik galt als »undeutsch, entartet«. In Protokollen lesen wir »widerliches Gequäke«. Mit der Nazi-Zeit tauchten dann immer mehr Schildert mit der Aufschrift »Swing tanzen verboten« in den Tanzcafés auf. Doch anders als der Jazz, der noch bis Mitte der 1930er Jahre auch im Radio nicht mehr gespielt werden durfte, gab es für Swingmusik zunächst kein Verbot. Die Tanzkapellen und Swingbands konnten ihre »flotte Musik« entlang der »Swingmeile« zwischen Jungfernstieg und Dammtorbahnhof, in den Kasinos und Bars, auch in Cafés, noch eine zeit lang spielen.
Doch Swing war mehr, wie nur Musik. Für viele kennzeichnete der Begriff auch ein Lebensgefühl. Diese Jugendlichen wollten sich nicht dem in der Nazi-Zeit verordneten Bild anpassen. Ihre auffällige Kleidung, die langen Haare und ihre legere Verhaltensweise machten die Swingjugendlichen so in den Augen der Nationalsozialisten zu »degenerierten, kriminellen und asozialen Elementen«. Doch zum Lebensgefühl dieser Jugendlichen passte es nicht, sich zu verstecken. Sie suchten die Öffentlichkeit, denn die ganze Stadt war ihre Bühne. Und aus dem Koffergrammofon daddelte die Swingmusik. Ab 1937/38 kam es so zu immer mehr Überwachungen. Dem folgten massive Verfolgungen.
Hinweis:
Die Ausarbeitung dieses Rundgangs erfolgte mit freundlicher Unterstützung durch das Barmbeker Schallarchiv.
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